Willkommen in 2021! Wundern Sie sich nicht auch über die ausnahmslos positiven Kursprognosen für den Jahres-verlauf ? Die große Rotation in zyklische Aktien zu Lasten von Wachstumswerten hatte seit Bidens Wahlsieg Anfang November einen ersten Run, doch komplett verwerfungsfrei dürfte das nicht weitergehen, auch wenn ein großer Teil der Investoren damals auf dem falschen Fuß erwischt worden war.
Die Aktienmärkte jedenfalls schlossen die vergangene Woche erneut höher. Damit hat der S&P zwei Wochen in Folge, der Dow vier Wochen in Folge und auch der Nasdaq vier Wochen in Folge zugelegt. Nun wird argumentiert, dass der Markt in die Zukunft blickt – eine Zukunft mit einer zurückgehenden Pandemie dank der Impfstoffe und einer Zukunft, in der das Leben wieder Spass macht. Und das bedeutet, dass mehr Menschen wieder arbeiten, reisen, Geld ausgeben usw., was wiederum eine wachsende Wirtschaft mit sich brächte.
Hinzu kommen weitere Hilfs- und Konjunkturprogramme. Die Regierungen – darunter nun auch wieder die US-amerikanische – halten den fiskalischen Hahn offen, um die Wirtschaft zu unterstützen. Dass das gerade in den Vereinigten Staaten nötig ist, wurde durch den Bericht zur Beschäftigungssituation vom letzten Freitag unterstrichen. Der Konsens erwartete einen Zuwachs von 50.000 neuen Arbeitsplätzen für den letzten Monat, aber stattdessen kam ein Rückgang von -140.000 (-95K im privaten Sektor und -45K im öffentlichen Sektor). Trotzdem blieb die Arbeitslosenquote mit 6,7% gleich. Der Rückgang konnte nicht allzu sehr überraschen, wenn man den ADP-Beschäftigungsbericht vom vergangenen Mittwoch bedenkt, in dem ein Rückgang der Beschäftigtenzahlen im privaten Sektor um -123.000 geschätzt wurde.
Nichtsdestotrotz war es der erste Rückgang der Arbeitsplätze seit sieben Monaten. Nach dem jüngsten Höhenflug haben einige Anleger in den vergangenen Tagen Kasse gemacht. Der technologielastige Nasdaq gab am Montag sogar 1,3% auf 13.036 Punkte nach. Der breit gefasste S&P 500 büßte nur 0,7% auf 3799 Punkte ein. Wenige Tage vor Beginn der Bilanzsaison stellen wir uns die Frage, ob die anstehenden Firmenbilanzen das aktuelle hohe Kursniveau rechtfertigen.
Die wirtschaftliche Erholung scheint bisher unempfindlich gegenüber jeglichen Schocks zu sein, da sich die verschiedenen globalen Produktionsindikatoren gut halten. Zusammen mit der akkommodierenden Politik bleibt die Widerstandsfähigkeit der Wirtschaft eine entscheidende Zutat für die starke Aktienrallye. Solange sich die Wachstumsindikatoren halten, ist der Markt zudem in der Lage, dem Schock, der durch die aktuelle Welle von COVID-19-Infektionen verursacht wurde, zu widerstehen.
Der Global Leading Economic Indicator Diffusion Index unseres Partners BCA Research signalisiert aber eine rapide Verlangsamung der Wirtschaftsaktivität, was normalerweise mit einer deutlichen Verschlechterung des gesamten Blocks globaler Frühindikatoren einhergeht. Wenn der globale Leading Economic Indicator (LEI) zu sinken beginnt, werden sich die Anleger fragen, was die Zentralbanken noch tun können und welche zusätzlichen fiskalpolitischen Maßnahmen die Politiker darüber hinaus beschließen könnten.
Aber da kann nicht mehr viel kommen. Dieses wirtschaftliche Risiko sehen wir daher als wahrscheinlichsten Auslöser für eine Enttäuschung, die bei Aktien bald zu einem Rückschlag, oder zumindest in eine Konsolidierungsphase führen sollte.
Wie soll man sich das vorstellen? Die Rahmenbedingungen sind für die Aktienmärkte nach wie vor äußerst günstig. Dieser Rückenwind wird aber nicht für immer bleiben. Die Anleger müssen die Entwicklung der Anleiherenditen und des Dollars genau beobachten. Aktuell haben die nominalen Renditen von US-Staatsanleihen zu steigen begonnen. Da sie schneller anzogen als ihre ausländischen Pendants, hat auch der Wechselkurs EUR/USD erst einmal eine Korrektur begonnen, die unter die psychologische Marke von 1,20 USD reichen sollte. Es ist außerdem unwahrscheinlich, dass US-Aktienindices höhere Renditen ignorieren. Das wiederum ist unser Szenario für eine Trendwende bei den Aktien.
Eine Verschlechterung der fiskalischen und geldpolitischen Rahmenbedingungen, auch wenn sie nur vorübergehend ist, wird die Anleger dazu zwingen, ihre zunehmend optimistischen Wachstumserwartungen anzupassen. Infolgedessen werden wir wahrscheinlich in naher Zukunft eine vorübergehende Umkehrung der vorherrschenden Markttrends der letzten drei Monate erleben: die Outperformance von Value- und Small Cap-Aktien. Diese temporäre Korrektur wird Anlegern, die die erste Phase der großen Rotation von Growth zu Value verpasst haben, eine Gelegenheit bieten, an ihrer zweiten Phase teilzunehmen. Der einfache Teil der Rotationsrallye liegt jedenfalls weitestgehend hinter uns, denn von einer Underperformance bei knapp minus 20% hat sich Value bereits auf plus 10% Outperformance gegenüber Growth erholen können.
Eines gilt aber weiterhin: Die Unternehmenserträge werden sich im Jahr 2021 auf jeden Fall erholen. Das geschieht in verschiedenen Branchen und Regionen zwar in unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Es ist aber ein breiter Erholungstrend zu erwarten, was besonders den zyklischen Werten hilft. Auf Dauer schlagen sich fundamentale Faktoren wie Ertragsstärke und Gewinnerwartungen in Kursen und Dividenden nieder. Die expansive Geld- und Fiskalpolitik hat diesen Mechanismus zwar zeitweise außer Kraft gesetzt, die Rückkehr zur Normalität sollte gerade bei den Highflyern zu Gewinnmitnahmen führen. Also passen Sie auf. Nachdem die Krise bewältigt sein wird, wirken strukturelle Veränderungen fort, etwa beim Konsumverhalten oder bei der beschleunigten Digitalisierung vieler Lebens- und Arbeitsbereiche. Zugleich bleiben die alten Probleme bei Banken und im Ölsektor weiter bestehen. Auch hier werden die Bäume nicht sofort in den Himmel wachsen.
Welche Branchen sind derzeit noch relativ günstig bewertet? JP Morgan hatte vor wenigen Tagen eine Liste europäischer „deep value“-Aktien veröffentlicht. Darunter finden sich vor allem Banken und Versicherungen. Genau dieser Sektor profitiert als einer der wenigen von steigenden Anleiherenditen. Die Liste gibt ein Gefühl, wie weit das derzeitige Kurs-zu-Buchwert-Verhältnis vom Fünfjahres-Mittelwert abweicht und wo es gerade steht. Und man sieht auch, wie weit der aktuelle Kurs unter dem zum Jahresanfang 2020 – also vor der Pandemie – abgegeben hat. Daneben sind in der letzten Spalte die Gewinnrevisionen für das Jahr 2021 angegeben. Richtig: Sie finden keine einzige negative Zahl. Bei allen aufgelisteten Titeln hat man in den vergangenen drei Monaten die Ertragserwartungen angehoben.
Wir wollen uns hier nicht auf spezifische Einzelwerte fixieren, fokussieren uns bei Neuengagements aber bevorzugt auf Rohstoffe, Energie sowie Banken und Versicherungen. Buy on Dips !